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Ereignishorizont

Ich erwache in einer endlos weiten, weißen und absolut flachen Ebene. Der gesamte Boden ist großen Kacheln aus einem keramischen Material bedeckt. Die Fugen sind teerig schwarz und absolut gerade. Ich drehe mich um und am Horizont ist ein halbkugeliges Gebäude - ähnlich einem Iglu- in einer nur schwer abzuschätzenden Entfernung zu erkennen. Der weiße Untergrund ist so hell, dass er meine Augen blendet, aber der Himmel ist pechschwarz. Da ich keinerlei Schattenwurf von mir erkenne, vermute ich eine Lichtquelle im Zenit und erkenne dort auch einen kleinen Stern - nur ein winziger Punkt, der aber wie eine heiße Nadel auf meine Augen trifft, mich total durchdringt und blind macht, bevor ich den Blick abwenden kann. Totale Schwärze umgibt mich.

Als der brennende Schmerz hinter meinen Augen und ein beklemmendes Gefühl in der Brust nachlassen, kann ich meine Umgebung allmählich wieder in der vorherigen Schärfe und Klarheit erkennen. Ich erkenne, dass ich mich in der Ursprungsebene eines kartesischen Koordinatensystem befinde. In dessen Ursprung sehe ich wieder die perfekte weisse Halbkugel auf der weißen Kachelfläche, kann aber immer noch nicht ihre Größe oder Entfernung abschätzen. Ich sehe nun auch einen feinen weißen Strahl, der aus ihrem Zentrum zum Zenit - wo immer noch dieser blendende Stern, dessen strahlende Helligkeit mich hier umgibt - sein muss. Ich vermeide aber, noch einmal dort hinauf zu sehen- denn der Schmerz war sehr unangenehm.

Ich bewege mich trotzdem auf das Zentrum des Koordinatensystems zu - denn es gibt hier sonst nichts außer Leere und Einsamkeit. Einige Kacheln vor mir erkenne ich nun aber eine kleine weiße Katze, die sich gerade intensiv putzt und mich deshalb wohl nicht bemerkt. Ich kann die Katze, deren reines weiss mich blendet auf der Kachel nur aufgrund ihrer Kopfbewegungen beim Putzen erkennen - zu sehr verschmilzt sie mit der weißen Umgebung. Sie löst bei mir in dieser sterilen Einsamkeit eine tiefe Sehnsucht aus und ich rufe sie in der Hoffnung, dass sie zu mir kommt.

Die Katze schaut auf, sie sieht mich und ihre großen Augen weiten sich zu pechschwarzen Löchern. Sie rennt einige Meter in Richtung des Ursprungs davon, bleibt dann aber stehen und starrt mich wieder an. Ich fühle mich von ihren schwarzen, Angst oder Aggression ausdrückenden Augen durchbohrt aber auch wie von einem Strudel angezogen und kann nicht anders als der Katze folgen. Dieses Spiel wiederholt sich noch viele Male, aber ich merke das erst, als eine gewaltige, kaum gekrümmte und opak weiße Glaswand vor mir aufragt und die Katze nun um meine Beine streicht und ich mich dadurch wie elektrisch aufgeladen fühle.

Ein Glücksgefühl durchströmt mich - ich möchte die jetzt offensichtlich nicht mehr scheue Katze nun aufheben, aber sie macht einen kleinen Hopser und durchdringt mühelos die nur scheinbar massive Glaswand. Es zerreißt mir das Herz dass ich nun wieder allein bin, berühre die Glaswand und merke, dass auch ich sie durchdringen kann und schreite entschlossen hindurch.

Bhavanga

Ich befinde mich nun auf einer Lichtung in einem Wald, die Stimmung ist herbstlich. Ich weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist, die Umgebung ist hell wie an einem Herbstmittag, der Himmel ist nach wie vor pechschwarz, aber nun voller Sterne.

Ich schaue mich um und sehe ein paar Meter vor mir die kleine Katze wild Berge von orangefarbenen Blättern aufwirbeln, um einzelne davon zu fangen. Sie wirft sich auf den Rücken und strampelt mit den Hinterbeinen nach einem sehr großen, braunen Ahornblatt, dass sie mit Vorderbeinen und Zähnen gepackt hat und wirbelt dabei weiteres Laub auf. Sie bemerkt mich und ich sehe nun ihre jetzt smaragdgrünen Augen, die in dem gleißenden Licht der winzigen, aber hellen Sonne funkeln wie Edelsteine. Ihr Blick ist nun nicht mehr ängstlich, sondern fordert zum Spiel auf. Schließlich springt sie auf und rast auf den nächstbesten der alten Bäume zu und erklimmt blitzschnell einen knorrigen Ast, an dem nur noch ein paar wenige Blätter im leichten Wind schaukeln. Sie krallt drei ihrer Pfoten in das runzlige, dunkelbraune Geäst und tatzelt nach einem großen, ledrigen Blatt.

Sie unterbricht ihr Spiel immer wieder und schaut wild oder übermütig auf mich herab, nachdem ich mich dem Baum genähert habe und nun zu ihr aufschaue. Ihr Fell erscheint mir jetzt auch nicht mehr nur weiss, sondern von orangenen und braunen Linien und Flecken durchzogen, die einen schönen Farbkontrast zu den smaragdenen Augen bilden. Je länger ich sie anschaue, desto makelloser - ja perfekt- erscheint sie mir in ihrer Wildheit, Schönheit und im Einklang mit der gesamten Umgebung in diesem herbstlichen Wald.

Ich versuche näher an die Katze direkt über mir heran zu kommen, kriege aber nur ein großes braunes Blatt zu fassen, das von der Katze losgeschlagen wurde. Das Blatt ist von Adern der gleichen Farbe wie die Streifen der Katze durchzogen. An seinen Spitzen ist das große Ahornblatt jetzt leuchtend smaragdgrün und scheint im Licht der Sonne genau wie die Augen der Katze zu leuchten. Das Blatt fühlt sich nun nicht mehr ledrig, sondern warm und weich wie das Fell der Katze an. Ich bin verwirrt - und merke dass ich nun tatsächlich die Katze in meinen Händen halte und sanft streichle.

Die Katze blickt mich mit ihren Smaragd-Augen an, die Pupillen weiten sich, drücken aber keine Angst sondern Zuneigung aus. Obwohl sie auf dem Rücken in meinen Händen liegend in den Zenit blicken muss, wo immer noch der helle, mich verbrennende Stern sein muss, dreht sie den Kopf nicht davon weg. Ich sehe nun auch den gesamten Sternenhimmel in ihren großen und nun wieder fast vollständig schwarzen Katzenaugen, auch den Zenit-Stern dessen Licht ich durch die Katzenaugen gesehen aber ertragen kann.

Mein Blick taucht nun durch die Katzenaugen in den Stern ein, der sich mir zuerst nur als perfekte, opak weiße Kugel darstellt, aber dessen Helligkeit ich nun ertrage. Ich durchdringe diese Helligkeit und ich sehe von oben auf eine schlafende oder träumende Person herab - mich selbst. Ich erwache.

Zeitloses Selbst

Schlagartig spüre ich, dass ich auch selbst diese kleine Katze bin - ebenso wie das Blatt, der Baum, der gesamte Wald, der Sternenhimmel und auch der winzige Stern im Zenit - und auch die Leere der kartesischen Ebene, die Dunkelheit, Einsamkeit und Ungewissheit dazwischen. All diese Manifestationen waren, sind oder werden Bestandteile von mir, aber ich kann im Alltagsbewußtsein in jedem Augenblick nur eine einzigen Aspekt davon wahrnehmen.

Für diese Schilderung muß ich nun Zeit, Logik und Kausalität aufwänden, um das Erlebte zu beschreiben, aber bei dieser Erfahrung gibt es kein Zeitgefühl, alle Zustände sind einfach da.

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